Kennzahlen und Umsatzplanung bei Abo-basierten Geschäftsmodellen

Geschäftsmodelle mit wiederkehrenden Umsätzen (sogenannte Abo- bzw. Subskriptionsmodelle) sind aus der digitalen Welt nicht mehr wegzudenken. Investoren, sowohl in den Public- als auch in den Private-Märkten, lieben Abo-basierte Geschäftsmodelle, wie wir sie beispielsweise in SaaS (Software-as-a-Service) Modellen antreffen: diese funktionieren immer sehr ähnlich, bieten dank dem Abo-Charakter eine gewisse Planbarkeit und die Performance verschiedener Unternehmen ist dank stark standardisierten Kennzahlen vergleichbar.

In diesem Artikel schauen wir uns drei relevante Kennzahlen im Zusammenhang mit Abo-basierten Geschäftsmodellen an und zeigen die Implikationen auf die Cash-Planung auf.

Verschaffen wir uns nachfolgend zunächst einen Überblick über die wichtigsten Kennzahlen bei Abo-basierten Geschäftsmodellen:

  • MRR
  • Churn
  • CLTV

Monthly Recurring Revenue

Der Monthly Recurring Revenue, kurz MRR, zeigt, wie viel Umsatz mit den aktuellen Kunden jeden Monat generiert werden kann. 

  • Einmalig anfallende Umsätze, wie beispielsweise eine Onboarding-Gebühr, werden dabei nicht berücksichtigt
  • Subskriptionen mit jährlichem Zahlungsintervall werden für die Berechnung des MRR zu 1/12 der jährlichen Zahlung berücksichtigt
  • Anstelle des MRR wird manchmal auch von ARR gesprochen. Für den ARR, Annual Recurring Revenue, wird der MRR mit dem Faktor 12 aufgerechnet. 

💡 Der MRR bzw ARR spielt eine sehr wichtige Rolle bei Finanzierungsrunden und M&A Transaktionen, da sich der sogenannte Revenue Multiple auf diesen jährlich wiederkehrenden Umsatz bezieht. 

Customer-Churn

Sind Kunden nicht zufrieden mit einem Produkt, kündigen sie dieses in der Regel wieder. Man spricht in diesem Zusammenhang vom sogenannten Churn. Der monatliche Kunden-Churn wird wie folgt berechnet:

Source: Charmogul

Beispiel: Wir starten den Monat mit 100 Kunden.

7 haben ihr Abo gekündet, wovon einer wieder reaktiviert werden konnte.

Der monatliche Churn beträgt somit ((7-1)/100) = 6%.

Warum ist der Churn so wichtig?

Churn ist der Make or Break für jedes Abo-basierte Geschäftsmodell und erhält sehr oft viel zu wenig Beachtung im Businessplan. Bei Tresio hatten wir in der Anfangszeit mit Churn-Werten deutlich über 10% zu kämpfen – das heisst im Klartext, dass der durchschnittliche Kunde weniger als ein Jahr bei uns blieb! Für unser Business hiess das: bevor wir an Wachstum und Skalierung denken konnten, mussten wir zuerst dieses Problem fixen und das Produkt so gut machen, dass uns unsere Kunden möglichst nicht mehr freiwillig verlassen. Heute liegt der Wert nachhaltig unter 4% und wir arbeiten hart daran, diesen nochmals zu halbieren.

Hier ein eindrückliche Tabelle, ebenfalls von unseren Freunden bei Chartmogul, was die monatlichen Churn-Werte aufs Jahr betrachtet ausmachen:

Source: Chartmogul

Wie hoch sollte der Churn sein?

Was ein “guter” Churn-Wert ist hängt letztlich sehr stark ab vom Geschäftsmodell, der Zielgruppe und der Maturität des angebotenen Services ab. Laut dieser Übersicht von Recurly lässt sich generell festhalten dass B2C Geschäftsmodelle am stärksten unter Churn leiden, im B2B Bereich muss unterschieden werden zwischen Angeboten im KMU- und Enterprise-Segment. 

Im KMU-Segment ist ein monatlicher Churn von unter 3% gut, im Enterprise-Markt 1.5% (Enterprise Deals haben oft Mindestlaufzeiten).

Jason Lemkin hat kürzlich einen super Artikel zum Thema Churn in SaaS-Unternehmen deren Services sich an KMU richten veröffentlicht (Artikel auf Englisch).

Berechnet sich Churn monatlich oder jährlich?

Churn kann sowohl auf Jahres- als auch auf monatlicher Ebene berechnet werden. Es gibt dabei keinen Standard.

💡Bei Tresio bevorzugen wir die monatliche Betrachtungsweise, da dabei mögliche Probleme und Schwierigkeiten viel schneller aufpoppen – allerdings kann dieser Wert von Monat zu Monat relativ stark schwanken, insbesondere in einer frühen Unternehmensphase mit verhältnismässig geringem Kundenstamm. Wichtig ist es wie bei allen Kennzahlen, dass man sich als Unternehmen auf einen Reporting-Standard einigt und diesen dann auch konstant beibehält.

Was ist unfreiwilliger Churn?

Neben freiwilligem Churn (= der Kunde hat aktiv gekündigt) gibt es auch sogenannten unfreiwilligen Churn: beim unfreiwilligen, bzw. passiven Churn, schlägt beispielsweise die Belastung der Kreditkarte fehl. Baremetrics geht in diesem Artikel vertieft aus das Thema ein.

Bei Tresio stellen wir fest, dass teilweise bis zu 15% des gesamten Churns nicht beabsichtigt sind – oft ist es jedoch trotzdem sehr schwierig, einen einmal gechurnten Kunden zurückzugewinnen und dazu zu bewegen, die neue Kreditkarte zu hinterlegen.

Was ist negativer Churn und warum fahren Investoren derart darauf ab?

Die oben aufgeführte Betrachtung beschränkt sich auf den Kunden-Churn, also die effektive Anzahl Kunden, die wir verlieren. Diese ist naturgemäss immer positiv, Reaktivierungen ausgenommen. 

Es gibt jedoch noch eine zweite Betrachtungsweise, den sogenannten Revenue-Churn.

👉 Beim Revenue Churn wird geschaut, wieviel von 100 Franken monatlichem MRR pro Kunde am Ende der Periode übrig bleibt.

Neben Kunden, die kündigen (churnen) gibt es auch solche, die am Ende der Periode mehr konsumieren. Dh, der durchschnittliche Kunde kann, trotz all der zwischenzeitlich ausgeschiedenen Kunden, am Ende der Periode mehr als die 100 ursprünglichen Franken MRR wert sein- man spricht in diesem Fall von negativem Revenue Churn oder (dem entsprechenden Kehrwert) einer positiven Net-Revenue-Retention (NRR).

Einen positiven NRR von deutlich über 100% erreichen nur die wenigsten SaaS Unternehmen. Die an der NASDAQ gelistete US-Firma Snowflake ❄️ hat es geschafft, den NRR auf fast schon magische 180% zu drücken. Das heisst: selbst ohne einen einzigen Neukunden wäre Snowflake 2021 trotzdem mit 80% year-on-year gewachsen – ein in der Software-Branche einzigartiger Wert!

Customer Lifetime Value

Der Customer Lifetime Value, kurz CLTV (manchmal auch LTV oder CLV), gibt an, wie viel Umsatz uns ein Kunde bringt, solange er Kunde ist. Die Berechnung ist dabei sehr simpel:

👉 Average Revenue per Customer* / Monthly Churn.

Beispiel: bringt uns ein Kunde CHF 100 pro Monat, und wir haben einen monatlichen Churn von 5%, liegt der Kundenwert (CLTV) bei CHF 2’000 (CHF 100 / 5%).

*Um das Ganze noch etwas verwirrender zu machen und weil wir noch nicht genügend Akkronyme hatten, spricht man im Zusammenhang mit dem LTV korrekterweise vom ARPA, Average Revenue per Account. Ist aber letztlich dasselbe wie MRR / Anzahl Kunden.

Diese Formel fasst wunderbar zusammen, was die entscheidenden Treiber nicht nur hinter dem Customer-Lifetime-Value und, sondern letztlich hinter dem zugrundeliegenden Geschäftsmodell hinter jedem Abo-basierten Unternehmen sind: 

  1. der monatliche Umsatz (MRR) pro Kunde, der wiederum den Mehrwert zeigt, den wir mit unserem Produkt für den Kunden generieren können, sowie
  2. dem Churn, der wiederum aufzeigt, wie loyal die Kunden ist respektive wie gut oder “sticky” unser Produkt im Endeffekt ist.

💡 Der CLTV ist sehr relevant bei der Bestimmung, wie hoch die maximalen Akquisekosten pro Neukunde (CAC, Customer Acquisition Cost) sein dürfen.

Berücksichtigung des MRR in der Cashflow-Planung

Zunächst das wichtigste Takeaway hier:

👉 MRR ≠ Cash Flow!

Der MRR sagt NICHTS über den Cashflow eines Unternehmens aus und ist damit für die Liquiditätsplanung UNBRAUCHBAR!

Nachfolgend ein Screenshot mit der Frage eines verzweifelten Founders, die in einer der grössten Facebook-Gruppen im Bereich SaaS eine angeregte Diskussion losgetreten hat:

Screenshot: Facebook, Juli 2021

Die “Schönheit” des MRR im Reporting liegt in der einfachen Vergleichbarkeit und Standardisierung. Für die Liquiditätsplanung bedeutet das jedoch, dass der Wert keine Aussagekraft über die zu erwartenden monatlichen Cash Flows hat. 

Nehmen wir ein Extrem-Beispiel (das so ähnlich tatsächlich auf einen unserer Kunden zutrifft): ein Schweizer Cloud-Anbieter stellt sämtliche Kundenrechnungen über CHF 1’200’000 Anfangs Jahr, und erhält dieses Geld dann im Februar (30 Tage Zahlungsziel). Mit diesem Geld muss er dann das ganze Jahr durch wirtschaften. 

Sein Base-Szenario auf drei Jahre sieht in Tresio dann bei monatlich CHF 95’000 Kosten entsprechend so aus:

Screenshot: Tresio

Würde er sich bei seiner Liquiditätsplanung nun fälschlicherweise auf den «geglätteten» MRR stützen (CHF 100’000, Berechnung: 1.2m/12) sähe sein Dreijahres-Chart (bei ansonsten genau gleicher Kostenstruktur!) so aus:

Screenshot: Tresio

Dies ist ein Extrem-Beispiel, aber es verdeutlicht die Wichtigkeit der zeitlichen Komponente in der Umsatz-Planung.

Was wir oft sehen, und was beispielsweise auch bei Tresio selbst eine grosse Challenge in unserer eigenen Cash Flow Planung war, ist die korrekte Berücksichtigung der jährlichen und vierteljährlichen Aboerlöse in den entsprechenden Monaten, und dabei die bereits gekündigten Abos (Churn!) möglichst Real-Time herauszurechnen.

😎 Dies war für uns Grund genug, die Tresio Subscription-Planung zu bauen:

Tagesgenaue Erlös-Planung für Abo-basierte Geschäftsmodelle 

Abonnemente können für die möglichst exakte Liquiditätsplanung direkt in Tresio erfasst werden. Dies geschieht entweder manuell in Tresio, oder über die Anbindung an Stripe, über welche Abo-Daten direkt in Tresio importiert werden können. Weitere Erweiterungen mit beispielsweise Chargebee sind in Planung, sprechen Sie mit unserem Sales-Team.

Das Resultat ist eine akkurate Planungssicht, die uns einen sehr akkuraten Überblick über die zu erwartenden Cash Flows aus mit Abos generierten Umsätzen gibt, auber aufgeteilt nach monatlichen, vierteljährlichen und Jährlichen Abos:

Screenshot: Tresio

👉 Tresio weist uns die insgesamt CHF 176’900 exakt pro Monat aus.

👉 Der monatliche Umsatz schwankt dabei zwischen CHF 5’000 und CHF 27’500 – für unsere Liquiditätsplanung Match-entscheidend!

👉 Würden wir mit dem MRR rechnen, würden wir pro Monat von pauschal CHF 14’740 ausgehen und wären damit beispielsweise im Februar massiv über Budget, hätten im März jedoch unter Umständen bereits ein Problem mit der Liquidität.