Wie messe ich den finanziellen Erfolg in meiner Marketingagentur?

10 wichtige Kennzahlen, die Sie als Agentur-Inhaber*in 2022 kennen sollten

«Ach, da müsste ich jetzt meinen Treuhänder fragen, der kümmert sich bei uns um die Finanzen. Ich bin mehr fürs Kreative zuständig.»

Hand aufs Herz – Finanzmanagement ist in vielen Marketingagenturen eher nicht die Lieblingstätigkeit und Kernkompetenz. Muss auch nicht – einige Kennzahlen sollten Sie allerdings schon kennen, um rasch beurteilen zu können, wie Sie im Vergleich zum Wettbewerb performen und wo Sie ansetzen sollten, um noch besser zu werden.

Um sowohl die Unternehmensbewertung (zB für einen allfälligen Verkauf), als auch die Kreditwürdigkeit Ihrer Marketingagentur nachhaltig zu verbessern, sollten Sie die nachfolgenden 10 Kennzahlen unbedingt kennen:

Relevante Finanz-Kennzahlen für Marketing-Agenturen

  1. Einkommen vs Adjusted Growth Income (AGI)
  2. AGI pro Vollzeit-Mitarbeiter
  3. EBITDA-Marge und Profitabilität
  4. Betriebskosten
  5. Lohnkosten vs AGI
  6. Schulden vs Aktiven
  7. Utilization Rate
  8. Kunden-Konzentration
  9. Liquiditäts-Ratio und Zahlungsfähigkeit
  10. Zahlungsfristen der Kunden

1. Einkommen vs Adjusted Growth Income (AGI): der bereinigte Umsatz

Berechnung AGI bei Werbeagenturen: Bruttoerlöse – Umsatz aus Drittleistungen

In Marketingagenturen haben Aussagen zum erzielten Bruttoumsatz so gut wie keine Ausagekraft, da sehr oft Drittleistungen (Google, traditionelle Medien) and Kunden weiterverrechnet werden. Das Bankkonto der Agentur dient in solchen Fällen als reine Durchreich-Stelle.

Um wirklich abschätzen zu können, ob und wie stark Ihre Agentur gewachsten ist, sollten Sie diese Drittleistungen herausrechnen.

2. AGI pro Vollzeit-Mitarbeiter: Produktivität

Formel Mitarbeiterproduktivität bei Werbeagenturen: AGI / FTE

Auch das Adjusted Growth Income für sich genommen sagt noch wenig aus. Um Aussagen zur Produktivität pro Mitarbeiter machen zu können, setzen Sie den AGI ins Verhältnis der Anzahl Vollzeitstellen (FTE – Full Time Employees). Die Formel dafür lautet AGI / FTE.

Beispiel: Agentur A erwirtschaftet pro Jahr mit 20 Mitarbeitenden einen AGI von CHF 2’800’000. Agentur B ist mit einem jährlichen AGI von CHF 1’400’000 nur halb so gross und beschäftigt 8.75 Vollzeit-Mitarbeitende. Vergleichen wir nun die AGI / FTE Ratio, so liegt diese bei Agentur A bei CHF 140’000 (2.8m / 20 FTE), bei Agentur B hingegen bei CHF 160’000 (1.4m / 8.75 FTE).

3. EBITDA-Marge: Profitabilität

Formel EBITDA-Marge bei Werbeagenturen: EBITDA / AGI

EBITDA (Earnings before Interest, Taxes and Depriciation of Assets) ist eine wichtige Kerngrösse, da er im Gegensatz zum Gewinn nicht auf Steuern optimiert ist und auch nicht durch allfällige Zinszahlungen beeinflusst wird. Wirklich aussagekräftig und vergleichbar wird jedoch auch diese Kennzahl erst, wenn wir Sie ins Verhältnis setzen zum Umsatz setzen, im Falle von Agenturen wiederum zum AGI.

Falls Sie damit liebäugeln, Ihre Agentur irgendwann zu verkaufen, sollten Sie diese Kennzahl unbedingt optimieren.

Der weltweite Benchmark der EBITDA-Marge liegt bei mittelgrossen Marketing-Agenturen übrigens bei 12-17% .

4. Betriebskosten

Unter den Betriebskosten werden Miete, Versicherungen und laufende Kosten für die Infrastruktur zusammengefasst.

Achten Sie darauf, dass diese nicht mehr als 20-25% des AGI ausmachen.

5. Lohnkosten

Der mit Abstand grösste Kostentreiber dürften bei den meisten Marketingagenturen die Personalkosten sein.

Diese, wiederum ins Verhältnis zum AGI gesetzt, bieten Ihnen einen starken Hebel, um Ihr Agenturgeschäft nachhaltig profitabel zu betreiben.

Die Personalkosten sollten idealerweise um die 50% des AGI liegen.

6. Verschuldungsgrad und Eigenkapitalquote

Formel Verschuldungsgrad: Fremdkapital / Eigenkapital

Bei einem gut laufenden Geschäft kann die Aufnahme von Fremdkapital ein spannender Hebel sein, um schneller als rein Cashflow-getrieben wachsen zu können.

Der Verschuldungsgrad (Fremdkapital / Eigenkapital) sollte < 2:1 sein.

7. Utilization Rate

Formel Utilization Rate: verrechnete Stunden / Total Arbeitsstunden

Die Utilization Rate (UR) ist bei jedem Beratungsgeschäft eine sehr wichtige Grösse: sie zeigt an, wie viel Zeit Ihre Berater tatsächlich beim Kunden verbringen, und welcher Anteil der Arbeitszeit für interne Aufgaben aufgewendet wird (Administration, Kundenakquise, Strategiemeetings).

Sehr salopp gesagt ist es beim Beratungsgeschäft so, dass diejenigen Berater, die aktiv auf Kundenprojekten arbeiten, den Rest des Unternehmens «durchfüttern» müssen. Je tiefer die Auslastung Ihrer Berater, desto mehr Druck liegt auf den «produktiven» Beratern, und desto mehr müssen diese pro verrechnete Stunde wiederum einbringen.

Es empfiehlt sich, die UR sowohl auf Stufe Berater (Benchmark: 80-90% ist sehr gut, je mehr Seniorität und damit Strategie- und Akquise-Aufgaben Ihre Berater haben, desto tiefer ist die UR tendenziell) als auch auf Stufe Unternehmen zu messen. Bei grösseren Unternehmen mit Team Struktur macht es zudem Sinn, die UR auch Stufe der einzelnen Teams zu tracken.

8. Kunden-Konzentration

Viele Agenturen wachsen zu Beginn mit einzelnen Grosskunden. Das ist ok in der Startphase – um zu hohe Abhängigkeiten von einzelnen Kunden möglichst zu vermeiden, sollten Sie unbedingt darauf achten, so bald wie möglich zu diversifizieren. Der Branchen Blog Marketingagencyinsider empfiehlt die folgende, einfach zu merkende Formel anzustreben:

  • Max. 1 Kunde mit > 25% des AGI
  • Max. 2 Kunden mit > 12.5% des AGI
  • Max. 4 Kunden mit > 6.25% AGI
  • Max. 8 Kunden mit > 3.125% des AGI

9. Liquiditäts-Ratio und Zahlungsfähigkeit

Formel Quickratio: Liquide Mittel + Forderungen / kurzfristiges Fremdkapital

Achten Sie darauf, dass Ihre Quick-Ratio (= Liquiditätsgrad 2) bei mindestens 100-120% liegt. Alles darunter ist ein Hinweis darauf, dass Sie in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten geraten können.

10. Zahlungsfristen Ihrer Kunden

Formel zur Berechnung der durchschnittlichen Debitorendauer:
((Debitoren Vorjahr + Debitoren aktuelles Jahr) / 2) / Umsatzerlöse x 360

Für das Überleben Ihrer Agentur ist es entscheidend, dass Sie zwischen Cash Flow und Profit unterscheiden.

Laut einer Umfrage von HubSpot ist denn auch für 1/3 der befragten Marketing-Agenturen das Cashflow Management die dringendste Herausforderung.

Einer der wichtigsten Treiber im Cash Conversion Cycle jeder Marketing-Agentur sind die Debitoren-Zahlungsfristen. Einige Tipps, um diese zu verbessern:

  • Beharren Sie auf Zahlungsfristen von < 30 Tagen (ideal wären 10, die 30 Tage haben sich in der Schweiz jedoch als Standard durchgesetzt)
  • Stellen Sie Ihre Rechnungen so schnell sie können! Viele Agenturen vergessen in der Hitze des Tagesgeschäfts, ihre Rechnungen zu stellen, oder machen nur einen monatlichen Rechnungslauf – stellen Sie Ihre Rechnungen unbedingt laufend, mindestens jedoch wöchentlich!
  • Cashflow before Profit – fokussieren Sie bei neuen Kundenprojekten unbedingt auch auf den Cashflow (= wann, in welchen Zeitintervallen werden Sie Akonto bezahlt, so dass Sie möglichst wenig in Vorleistung gehen müssen) und nicht nur auf den winkenden Umsatz!

In der Schweiz sind 30 Tage Zahlungsfristen Standard, werden jedoch nicht immer eingehalten. Eine gute Ressource für die aktuellsten Zahlen nach Ländern bietet der European Payments Report von Intrum.

Führende Schweizer Marketingagenturen wie Bee Inbound und Capture Media optimieren Ihre Liquiditäts- und Finanzsteuerung mit TRESIO.

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