30. Juni 2021, Tobias Angehrn (letzte Aktualisierung: Mai 2025)
UPDATE 2023: Seit dem 1. Januar 2023 gilt in der Schweiz das revidierte Aktienrecht mit neuen gesetzlichen Pflichten für den Verwaltungsrat. Eine detaillierte Übersicht zu den Neuerungen finden Sie hier.
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Viele Unternehmen schreiben im Verlaufe der Firmengeschichte vorübergehend Verluste. Sei es in der Investitionsphase am Anfang, wenn oft noch keine grossen Umsätze erfolgen und hauptsächlich Kosten anfallen, oder auch später, zum Beispiel infolge eines Wirtschaftseinbruchs. Solange auf der Aktivseite der Gesellschaft ausreichend Vermögenswerte vorhanden sind ist dies nicht so tragisch.
Zum Schutz der Gläubiger regelt das Schweizer Obligationenrecht in Artikel 725 OR, was bei einer Anhäufung von Verlusten und drohender Überschuldung eines Unternehmens zu tun ist. Als Verwaltungsrat oder Inhaber eines Unternehmens ist es essenziell, diese Pflichten zu kennen, um eine Verantwortlichkeitsklage nach Artikel 754ff OR zu vermeiden – schlimmstenfalls wird ansonsten mit dem Privatvermögen gehaftet.
In diesem Artikel beantworten wir die folgenden Fragen:
- Was ist eine Unterbilanz?
- Was ist bei einer Unterbilanz zu tun?
- Was ist ein Kapitalverlust?
- Was ist bei einem Kapitalverlust zu tun?
- Was ist eine Überschuldung?
- Was ist bei Überschuldung zu tun?
- Welche neuen Pflichten gelten für Verwaltungsräte seit 2023?
- Welchen Einfluss haben COVID-Kredite auf die Überschuldungssituation?
- Welche Rolle spielt die Liquiditätsplanung gemäss revidiertem Aktienrecht?
Was ist eine Unterbilanz?
Eine Unterbilanz liegt vor, wenn das Eigenkapital die Summe aus Aktienkapital, Partizipationskapital und gesetzlichen Reserven nicht mehr vollumfänglich deckt.
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Was ist bei einer Unterbilanz zu tun?
😇 Eine Unterbilanz hat keine unmittelbaren gesetzlichen Massnahmen zur Folge.
🔔 Sie sollte jedoch dem Verwaltungsrat ein Alarmsignal sein, um frühzeitig die nötigen Massnahmen zu prüfen und zu ergreifen, um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen.
Was ist ein Kapitalverlust?
Ein Kapitalverlust ist eine qualifizierte Form der Unterbilanz: Die Hälfte des Grundkapitals (inkl. gesetzliche Reserven) ist nicht mehr gedeckt.

Was ist bei einem Kapitalverlust zu tun?
👉 Nach Art. 725 Abs. 1 OR hat der Verwaltungsrat* unverzüglich zu handeln:
- Einberufung einer Generalversammlung
- Vorschlag und Umsetzung von Sanierungsmassnahmen.
Es ist wichtig, die während dieser ausserordentlichen Generalversammlung beschlossenen Massnahmen sauber zu dokumentieren.
* Bei der GmbH unterliegen diese Pflichten der Geschäftsleitung.
Die Sanierungsmassnahmen umfassen in der Regel eine ganze Reihe von Massnahmen, die ergriffen werden, um die Krise des Unternehmens zu überwinden.
Zu den häufigsten Sanierungsmassnahmen gehören die folgenden Schritte:
- Rangrücktritt bei Darlehen (neu inklusive Zinsen, gemäs Art. 725b OR )
- Kapitalschnitt und Kapitalerhöhung ((Art. 732 OR und Art. 650 OR)
- Aufwertungen als Instrumend der Bilanzsanierung) (Art. 725c OR)
Bei einem Rangrücktritt erklärt sich ein Gläubiger bereit, im Falle der Liquiditation oder Insolvenz des Unternehmens auf die Befriedigung seiner Forderungen zu verzichten, bis das Unternehmen sämtlichen übrigen Verbindlichkeiten vollumfänglich bezahlt hat. In der Regel handelt es sich beim Gläubiger um einen Gesellschafter des Unternehmens. Der Rangrücktritt muss unbedingt und mindestens für so lange unwiderruflich sein, bis die Gesellschaft über ein minimales Eigenkapital verfügt, das ihr die Fortsetzung ihrer Geschäftstätigkeit erlaubt. Der Rangrücktritt wird in der Bilanz, im Anhang und gegebenenfalls im Revisionsbericht der Gesellschaft vermerkt. Mit dem revidierten Aktienrecht müssen ab 2023 auch die Darlehenszinsen Teil des Rangrücktrittes sein.
Eine weitere beliebte Sanierungsmassnahme ist der sogenannte Kapitalschnitt. Dabei wird eine Kapitalherabsetzung nach Art. 732 OR mit gleichzeitiger Kapitalerhöhung (Art. 650 OR) vorgenommen. Die Herabsetzung des Kapitals führt zu einer Beseitung des Verlustvortrages, gleichzeitig wird mindestens im selben Ausmass frisches, voll liberiertes Kaitenkapital eingebracht. Aus Investorensicht ist ein solcher Kapitalschnitt interessant, da einerseits die Verlustvorträge aus der Bilanz verschwinden („Bilanzkosmetik“), andererseits verlieren bestehende Investoren in der Regel an Einfluss in Form von Stimmrechtsanteilen, da die Aktien im Rahmen der Kapitalherabsetzung sehr oft vernichtet, bzw. gänzlich abgeschrieben werden.
Im Sinne der Bilanzsanierung ist es auch möglich, Grundstücke oder Beteiligungen aufzuwerten und damit stille Reserven aufzulösen. Dieser Weg ist jedoch zeitaufwändig, da die Grundlage für eine Aufwertung in Form von Gutachten oder Bewertungen vorhanden sein muss und diese auch durch einen zugelassenen Revisor geprüft werden muss.
Was ist eine Überschuldung?
Eine Überschuldung liegt dann vor, wenn das Gesellschaftsvermögen das Fremdkapital nicht mehr abdeckt. Eine Überschuldung bedeutet in der Regel, dass eine Gesellschaft insolvent und damit akut handlungsunfähig ist.

Was ist bei einer Überschuldung zu tun?
Bei Verdacht auf Überschuldung muss der Verwaltungsrat unverzüglich folgende Massnahmen ergreifen:
- Erstellung einer Zwischenbilanz zu Fortführungswerten
- Falls erforderlich: zweite Zwischenbilanz zu Liquidationswerten
- Prüfung durch Revisionsstelle
- Meldung an das Gericht, sofern keine Sanierungsmöglichkeiten bestehen
🔹 Wichtig: Rangrücktritte müssen ab 2023 auch Zinsen beinhalten und sind nur gültig, wenn sie entsprechend dokumentiert und gestundet sind (ältere Vereinbarunge bedürfen einer neuen Formulierung!).
Diese Zwischenbilanzen zeige die Finanzlage des Unternehmens per Stichtag und sind zwingend von einem zugelassenen Revisor bzw einer zugelassenen Revisorin zu prüfen. Besteht begründeter Anlass zur Annahme, dass eine Überschuldung vorliegt, ist der Verwaltungsrat verpflichtet, zu handeln.
👨⚖️ Sobald auch die Revisionsstelle feststellt, dass eine Überschuldung vorliegt, muss der Verwaltungsrat den zuständigen Richter benachrichtigen. Man spricht hier von einer sogenannten Bilanzhinterlegung, mit der das Insolvenzverfahren eingeleitet wird. Nach der Bilanzdeponierung erfolgen alle weiteren Schritte in enger Abstimmung mit dem zuständigen Konkursverwalter.
Es ist möglich, die Bilanzhinterlegung hinauszuschieben, wenn eine begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung innerhalb von 90 Tagen nach Vorliegen der geprüften Zwischenabschlüsse behoben werden kann, und die Forderungen der Gläubiger während dieser Frist nicht zusätzlich gefährdet werden. In einem solchen Fall kann das Gericht vorerst nicht informiert werden.
💡 Je nach Konstellation kann ein Konkursurteil auch umgangen werden, indem man sich mit den Gläubigern einigt, beispielsweise auf einen (teilweisen) Schuldenerlass oder einer Stundung von Zahlungen. Besonders vielversprechend sind solche sogenannten Nachlassverhandlungen oft wenn es sich bei den Gläubigern um langjährige Lieferanten oder Kunden handelt, die weiterhin an einer Zusammenarbeit interessiert sind.
Covid-19 Kredite: Was gilt bei der Überschuldungsprüfung?
Infolge der Corona-Krise gelten zeitlich befristete Erleichterungen für die Bilanzierung von Covid-19-Krediten. Verbürgte Kredite bis CHF 500’000 müssen nicht als Fremdkapital bei der Überschuldungsprüfung nach Art. 725 OR berücksichtigt werden.
Diese Regelung gilt bis 31. Dezember 2032.
Neue Pflicht zur Zahlungsfähigkeitsüberwachung
Mit dem revidierten Aktienrecht gilt neu (Art. 725 Abs. 1 OR): Der Verwaltungsrat ist verpflichtet, die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft laufend zu überwachen.
Warum eine vorausschauende Liquiditätsplanung jetzt Pflicht ist
Die neuen Vorschriften machen deutlich: Früherkennung ist entscheidend.
Eine rollierende Liquiditätsplanung hilft dabei, finanzielle Engpässe frühzeitig zu erkennen und Massnahmen rechtzeitig zu ergreifen. Dies ist nicht nur gute Praxis, sondern ab 2023 auch rechtlich gefordert.
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- Szenarien simulieren (z. B. Umsatzrückgang, zusätzliche Mitarbeitenden)
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Die Pflichten gemäss Art. 725 OR können als Last erscheinen – oder als Anlass, Ihre Finanzprozesse auf ein professionelleres Level zu heben. Mit der richtigen Software automatisieren Sie die Überwachung Ihrer Zahlungsfähigkeit und gewinnen gleichzeitig Transparenz und Kontrolle.
Rechtlicher Hinweis: Dieser Artikel wurde mit grösster Sorgfalt erstellt, ersetzt jedoch keine rechtliche oder steuerliche Beratung. Bitte lassen Sie Ihre individuelle Situation durch Ihre Revisions- oder Treuhandstelle prüfen.